Prof. Dr. Hermann Dechant

Leitung Apollon Musikoffizin

Hermann Dechant wurde am 29. November 1939 in Wien geboren. Sein Vater war der Kunstmaler, Bildhauer und Architekt Professor Oskar Dechant (1892–1963). Dieser gehörte der österreichischen Richtung der „Neuen Sachlichkeit“ an und war Mitglied des österreichischen Künstlerhauses und der Künstlervereinigung „Weiße Insel.“ Oskar Dechant verehrte Paul Cézanne (1839–1906) und Albin Egger-Lienz (1868–1926). Zu seinem großen Freundeskreis zählten Egon Schiele (1890–1918), Sergius Pauser (1890–1970), der Bildhauer Gustinus Ambrosi (1893–1975) und der Keramiker Robert Obsieger (1884–1959). Frühzeitig malte er Industrieanlagen wie Ziegeleien und Gaswerke, aber auch gelungene Portraits und schuf als Bildhauer nach dem I. Weltkrieg das in österreichischen Militärkreisen hoch angesehene Kriegerdenkmal „Roter Engel“ sowie 1954 die erste Fátima-Statue Österreichs für die Katholische Kirche St. Johannes Nepomuk in Wien XII. Als Architekt schätzte er Frank Lloyd Wright (1867–1959) und seine Einbeziehung der Natur in die Architektur und baute neben diversen Zweck- und Privatbauten die Franziskuskirche in Wien X und (in Kooperation) das Hotel Astoria in Seefeld/Tirol.

Die Familie ist hugenottischen Ursprungs mit einem Zweig in den Niederlanden und dürfte über die evangelischen Markgrafschaften Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth, die frühzeitig Religions-Flüchtlinge aus Frankreich aufnahmen, nach Österreich gekommen sein, wie die große Häufigkeit des Namens Dechant in Franken zeigt, während er in Österreich bis 1940 ausschließlich von der hier behandelten Familie geführt wurde. In ihr sind ebenso Künstler wie Träger öffentlicher Ämter nachweisbar, wie der Direktor des Österreichischen Bundesverlags Dr. Rudolf Dechant (1892– 1974), der Maler und Xylograph David Dechant, welcher mehrere Bände der 1863–1869 erschienenen Erstausgabe von Brehms Tierleben illustrierte, möglicherweise auch der in Bonn gebürtige Amsterdamer Kaufmann Ferdinand Nicolaus Dionysius Dejean (1731–1799), für den W. A. Mozart im Jahre 1777 u. a. die Flöten-Konzerte KV 313 und KV 314 komponierte, sowie Bürgermeister und leitende Beamte. Zu Dechants Geschwistern zählt der Hydrologe Dr. Martin Dechant (*1928). Er war maßgeblich an der Entwicklung der „Sporentrift-Methode“ beteiligt, mit deren Hilfe weltweit Wasserverläufe in Gebirgsstöcken ermittelt werden. Ob sich die Familie tatsächlich auf den französischen Dichter und Politiker Eustache Deschamps (1346–1407) zurückführen lässt, woran eine Überlieferung in einem Zweig der Familie festhält, konnte bislang nicht restlos geklärt werden.

Hermann Dechant erhielt ab seinem 5. Lebensjahr Klavierunterricht. Ab 1947 nahmen ihn wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Österreich Freunde in den Niederlanden auf. Am 6. September 1948 stand der Achtjährige in Amsterdam anlässlich der Thronbesteigung von Königin Juliana mit zahlreichen Kindern Spalier, schwenkte eine orangefarbene Flagge und sang: „Oranje boven, Oranje boven, Leve de koningin!“ Nach Wien zurückgekehrt, musste er die deutsche Sprache neu erlernen. 1951 wurde Dechant zusammen mit dem späteren Pianisten Rudolf Buchbinder in die Abteilung für Hochbegabungen an die Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien aufgenommen und nahm Unterricht im Fach Querflöte.

Bereits 15jährig bereiste Dechant als Solist mit dem österreichischen Jugendorchester Belgien und die Niederlande und wurde von Reine Elizabeth de Belgique im Palais des Beaux Arts in Brüssel in Audienz empfangen. Ab 1956 wirkte er regelmäßig im Orchester der Wiener Staatsoper mit. Im Juni 1958 legte Dechant die Matura am Gymnasium Wien XII und die Künstlerische Reifeprüfung an der Staatsakademie Wien ab, letztere mit Auszeichnung. Ferner wurde ihm der Große Preis der Staatsakademie zuerkannt.

Ab August 1959 war Dechant Mitglied des Opernhauses Graz. Im Januar 1960 konnte er sich bei einem Probespiel um die Position des Soloflötisten der Bamberger Symphoniker gegenüber zahlreichen Mitbewerbern durchsetzen und errang die begehrte Position als jüngstes Orchestermitglied. Da Dechants Vater früh verstarb, nahm sich der Chefdirigent der Bamberger Symphoniker Joseph Keilberth (1908–1968) seiner („an Sohnes statt“) an und bestärkte ihn, seine Ausbildung zu erweitern. Vorher nahm er jedoch Privatunterricht bei dem Soloflötisten der Berliner Philharmoniker Aurèle Nicolet (1926–2016).

Von 1962–1966 studierte Dechant am Staatskonservatorium der Musik in Würzburg Dirigieren, von 1966 an ebenda Komposition. Von 1968 bis 1973 war er an den Universitäten in Würzburg und Regensburg inskribiert und belegte die beiden Hauptfächer Musikwissenschaft und Kunstgeschichte. In seiner 1975 „summa cum laude“ bewerteten Dissertation „E. T. A. Hoffmanns Oper Aurora“ konnte er nachweisen, dass nicht Carl Maria v. Weber (1786–1826) in Berlin, sondern Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822) in Bamberg die erste deutsche romantische Oper komponiert hat. Daraufhin lud ihn die Bayerische Akademie der Wissenschaften ein, die Oper in den „Denkmälern der Tonkunst in Bayern, Neue Folge“ Bd. 9 zu veröffentlichen. Seine Promotion wurde insgesamt mit der Note 0,5 bewertet – nach Auskunft des Rektorats der Universität Regensburg bestes Promotionsergebnis des Jahres 1975 im Freistaat Bayern.

1964 hatte Dechant mit jungen Kollegen der Bamberger Symphoniker das „Bamberger Bläserquintett“ gegründet. Dieses Ensemble, das von der Berliner Konzertdirektion gemanagt wurde, errang sich rasch internationales Ansehen, vor allem durch sein Eintreten für zeitgenössische Musik. Das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut sandten das Ensemble als Botschafter Deutscher Musikkultur in zahlreiche Länder des Nahen Ostens und Afrikas, mit welchen die Bundesrepublik Kulturabkommen geschlossen hatte. In der Presse wurde es als „bestes Ensemble seiner Art“ gefeiert. Aus den Konzerten des Bamberger Bläserquintetts gingen die „Kammerkonzerte zeitgenössischer Musik,“ hervor, die bald zu einer festen Institution des Bamberger Musiklebens werden sollten. Namhafte Komponisten wie Jean Françaix, Hans Werner Henze, Milko Kelemen, Ernst Krenek, Isang Yun, Hans Werner Zimmermann u. a. konnten nach Bamberg geholt werden, die in den immer besser besuchten Konzerten über ihre Werke sprachen, die anschließend zur Aufführung gelangten.

Im gleichen Jahr trat Gerd Gutbier (1926–1977), der Intendant des E. T. A. Hoffmann-Theaters Bamberg, an Dechant mit der Bitte heran, für die Neuinszenierung von Heinrich v. Kleists Der Prinz von Homburg die Bühnenmusik zu gestalten. Daraus entwickelte sich eine mehrjährige Tätigkeit (bis 1971) als Leiter der Musikabteilung des Theaters. Höhepunkt war die Zusammenarbeit mit Heinrich Böll (1917–1985) anlässlich der Uraufführung der Bamberger Fassung seines Schauspiels Ein Schluck Erde. 1972 wurde Dechant für seinen Orchesterlieder-Zyklus Gesänge der Nacht nach Texten von Nelly Sachs der Kompositionspreis der Stadt Hof zuerkannt, 1977 erfolgte die Uraufführung seiner Incatenamenti für sechs Orchestergruppen beim Bayerischen Tonkünstlerfest in Augsburg. Am 28. Februar 1994 fand die Rezension der gefeierten Uraufführung seiner L’Apothéose de Philipp Emanuel durch Margit Haider anlässlich der „29. Frankfurter Festtage der Musik“ in Frankfurt an der Oder Aufnahme auf die Titelseite der Berliner Morgenpost.

Im Jahre 1967 regte der auf Alte Musik spezialisierte Tenorist Fritz Wieninger an, ein Ensemble zu gründen, das der reichen Musikgeschichte Bambergs gerecht werden sollte. Ausgangspunkt war der weltberühmte „Codex Bamberg“ aus dem Jahre 1303, der in der Staatsbibliothek Bamberg verwahrt wird. Aus Schulmusikern und Musikstudenten wurde ein Elitechor mit 16 Sängern gebildet; zugleich konnte Dechant Orchester-Kollegen dazu bewegen, neben ihren modernen Instrumenten auch deren historische Vorläufer zu spielen, was von ihnen als willkommene Erweiterung ihres Berufsspektrums aufgenommen wurde. Das Ensemble, das sich nach einer Inschrift unter dem Musikerwagen in dem von Albrecht Altdorfer (1480–1538), Albrecht Dürer (1471–1528) u. a. gestalteten „Triumphzug Maximilians I.“ „Musica Canterey Bamberg“ nannte, konzertierte regelmäßig in Bamberg und in umliegenden fränkischen Städten, widmete eine CD dem in Bamberg geborenen ersten deutschen Großmeister der Musik Henricus Finck (1445–1527) und legte erstmals mit der Produktion „Freß- und Sauflieder der Renaissance“ eine gesellschaftskritische Kollektion von Vokalsätzen vor, die das Leben der sogenannten „kleinen Leute“ aus einer Epoche behandelten, von der bislang nur die Oberschicht im Vordergrund des Interesses stand. Die Schallplatte, später in eine CD umgewandelt, wurde mit 88.000 verkauften Exemplaren einer der größten Erfolge auf dem Gebiet „Alte Musik.“

Bereits seit 1961 war Dechant als Dozent bei den Sommerkursen der Musikalischen Jugend Deutschlands in Weikersheim tätig und hatte sich dabei einen ersten Ruf als Kammermusik- und Orchester-Pädagoge erworben – meistens waren in dieser Zeit seine Studenten noch älter als er. So ergab es sich gleichsam von selbst, dass ihn Herbert Sass, Generalsekretär des Deutschen Musikrats, im Jahre 1968 bat, in das Leitungsteam des neu gegründeten Bundesjugendorchesters einzutreten, was zu einem ständigen Kontakt mit der Stadt Bonn führte. Mit dem Bonner Generalmusikdirektor Volker Wangenheim entwickelte Dechant als Studienleiter ein neuartiges Konzept der Jugendorchester-Arbeit, das aus einem ausgewogenen Wechsel von Gruppen- und Tuttiproben, der Verpflichtung von Dozenten aus den führenden deutschen Orchestern sowie einer peniblen Aufbereitung der Aufführungsmaterialien bestand. Auf dieser Basis konnte sich das Bundesjugendorchester zum besten Jugendorchester der Welt entwickeln, das bei einem Altersquerschnitt von 17 Jahren anspruchsvolle Werke wie Franz Liszts Tondichtung Tasso, die 6. Symphonie von Gustav Mahler oder Le Sacre du Printemps von Igor Strawinsky in professioneller Qualität aufführen konnte. Denn ursprünglich war das Bundesjugendorchester von betulichen Musik-Pädagogen für Bundespreisträger der Wettbewerbe „Jugend musiziert“ lediglich als Freizeit-Vergnügen mit Lagerfeuer-Romantik angedacht worden, bei dem ein wenig „druckfrei“ musiziert werden sollte. Es waren jedoch die jugendlichen Orchestermitglieder selbst, die, nachdem sie dazu motiviert worden waren, sich eine demokratische Struktur mit gewähltem Orchestervorstand zu geben, energisch nach höheren Herausforderungen verlangten. Das von Wangenheim und Dechant entwickelte Arbeitsmodell wird heute von zahlreichen Jugendorchestern angewandt – auch im Ausland. Von 1970–1992 war Dechant zudem Mitglied der Bundesjury „Jugend musiziert“ und im Leitungsteam der „Bundeskammermusikkurse Jugend musiziert“ tätig. Zahlreiche Ensemblegründungen gehen auf ihn zurück.

1973 wurde Dechant an die Hochschule für Musik in Würzburg berufen. Er übernahm die Orchester- Abteilung und eine Dirigentenklasse. Damit endete seine Tätigkeit als Soloflötist bei den Bamberger Symphonikern und als Leiter der Musica Canterey Bamberg. Der Übertritt in den Staatsdienst mit Verbeamtung auf Lebenszeit machte einen Wechsel der Staatsbürgerschaft notwendig. Dabei stellte sich überraschend heraus, dass Dechant, im Jahre 1939 in Wien geboren, vor dem Gesetz als gebürtiger Deutscher galt und ihm somit die deutsche Staatsbürgerschaft adhoc zuerkannt werden konnte.

Das Orchester der Hochschule für Musik in Würzburg wurde nun unter Professor Dr. Hermann Dechant künstlerisch und organisatorisch auf die Anforderungen des Berufslebens ausgerichtet und war bald ein wichtiger Bestandteil des städtischen Musiklebens der Mainmetropole aber auch des Würzburger Mozartfests, wo anlässlich der Hofgarten-Serenaden des Orchesters bis zu 25.000 Zuhörer registriert werden konnten. Die Leistungen des Orchesters sprachen sich herum: Im Jahre 1976 wurde es als einziges Hochschulorchester der Bundesrepublik per Erlass des Bayerischen Kultusministeriums den Deutschen Kulturorchestern gleichgestellt und von der Heidelberger Konzertdirektion gemanagt. Diese hohe Anerkennung seiner Tätigkeit und die laufenden Erfolge des Orchesters brachten Dechant bei seinen Hochschul-Kollegen nicht nur freundschaftliche Gefühle ein.

1984 trat der Herder-Verlag an Dechant heran, eine Abhandlung über das Dirigieren zu verfassen. So entstand das Standardwerk „Dirigieren. Zur Theorie und Praxis der Musikinterpretation“, Wien-Freiburg-Basel 1985, mit dem zum ersten Mal eine Dirigierlehre auf praktischer und wissenschaftlicher Grundlage vorgelegt wurde, die 32 positive Rezensionen in den Fachmedien erfuhr. Seit dem Jahre 2000 liegt die Publikation zudem in russischer Sprache vor und ist offizielles Lehr- und Lernmittel der russischen Musik-Universitäten. Im Zusammenhang mit mehreren Auftritten Dechants in Russland und dieser Publikation wurde er 2003 vom Moskauer Kultusministerium zum Ehrenprofessor der Russischen Föderation ernannt.

Im Jahre 1986 erreichte Dechant ein Hilferuf des Oratorienchors Bamberg. Die 1834 gegründete traditionsreiche Chorvereinigung, die in der Vergangenheit unter zahlreichen namhaften Dirigenten gesungen hatte und stets über eine hohe Anzahl von Mitgliedern verfügte, war auf 37 SängerInnen zurückgefallen und drohte, sich aufzulösen. Dechant übernahm die Leitung und brachte den Chor mit repräsentativen Programmen und intensiver Probenarbeit nach zwei Jahren auf seinen alten Stand von 160 Mitgliedern. In den 14 Jahren seiner Chorleitung errang der Chor seine ursprünglichen Qualitäten wieder zurück und konnte mit glänzenden Aufführungen von Werken wie J. S. Bachs Hohe Messe, L. v. Beethovens Missa solemnis, R. Schumanns Manfred, G. Verdis Requiem, R. Strauss‘ Die Tageszeiten, K. A. Hartmanns Friede anno 48 und I. Strawinskys Les Noces sein altes Renommee zurückgewinnen. Als Begleitorchester fungierten die Bamberger Symphoniker und die Münchner Bachsolisten.

Zusätzlich gründete Dechant zusammen mit dem rührigen 16jährigen Bamberger Gymnasiasten Thomas Silberhorn das Jugendorchester Bamberg (JOB) mit 72 Musikern, in dem Silberhorn in der Gruppe der I. Violinen mitwirkte. Er sollte später das Amt des Staatssekretärs am Verteidigungs-Ministerium bekleiden. Für seine Arbeit in Bamberg wurde Dechant mit der Medaille des Fränkischen Sängerbundes und dem Kulturförderpreis der Stadt Bamberg ausgezeichnet. Mit dem JOB konnten die beiden Opern von E. T. A. Hoffmann Aurora und Undine erstmals vollständig für Beyer-Records auf CD produziert werden.

Nachdem Dechant bereits zahlreiche Gastdirigate im In- und Ausland absolviert hatte, erreichte ihn 1991 die Einladung, an der Anton-Bruckner-Privat-Universität Linz (Österreich) in Form eines Lehrauftrags das Orchester zu reorganisieren. Seine schon früher ausgearbeiteten Arbeitskonzepte und die inzwischen erworbene Erfahrung machten das Orchester rasch zu einem angesehenen Klangkörper, dessen Leistungen in der oberösterreichischen Presse denen ansässiger Berufsorchester gleichgestellt wurden. Anlässlich dieser Tätigkeit trat Dechant in Kontakt mit der österreichischen Pianistin Prof. Margit Haider, die an der gleichen Universität einer Konzertfach-Klasse für Klavier vorstand. Margit Haider entstammt mütterlicherseits der Familie des in Salzburg geborenen Komponisten und Klaviervirtuosen Joseph Woelfl (1773–1812), Schüler von Leopold (1719–1787) und Maria Anna Mozart (1751–1829), der zu den bedeutendsten Musikern seiner Zeit zählte. Haider setzte Dechant davon in Kenntnis, dass Leben und Werk ihres prominenten Vorfahren bislang so gut wie unerforscht seien. Nach einer kurzen Informations-Phase erschien dieses Projekt so vielversprechend, dass Dechant Margit Haider darin bestärkte, sich dieser Aufgabe in extenso zu widmen. Noch vor dem Eintritt in den Ruhestand gründeten die Beiden im Elternhaus Dechants in Wien ein Forschungszentrum und den Musikverlag  Musikoffizin GmbH. Dieser Verlag, der Noten, Musikbücher und CDs produziert, ist auf wissenschaftliche Erst- und Urtextausgaben spezialisiert. Zu seinen Kunden gehören u. a. die Library of Congress in Washington D. C. und die Music Library in Beijing.

Die Erforschung von Leben und Werk Joseph Woelfls in Joseph Woelfl – Verzeichnis seiner Werke von Margit Haider-Dechant zeitigte überraschende Ergebnisse. Forschungsaufenthalte an den führenden Bibliotheken Europas förderten ein kompositorisches Gesamtwerk zutage, das allein an Umfang mit dem von W. A. Mozart oder L. v. Beethoven vergleichbar ist. Aber auch die Qualität der Werke setzte in Erstaunen. Aus dem Dunkel der Geschichte tauchte allmählich ein Großmeister der Musikgeschichte auf, der heute mit der Trias Haydn, Mozart und Beethoven in eine Reihe gestellt werden kann, wie sich auf den alle zwei Jahre abgehaltenen Internationalen Joseph-Woelfl- Symposien, an denen Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern teilnehmen, laufend bestätigt.

2005 trat Hermann Dechant nach 46 Dienstjahren in den Ruhestand. Er hatte an der Hochschule für Musik in Würzburg im Laufe von 32 Jahren rund 170 Konzerte mit dem Hochschulorchester und dem Ensemble für Neue Musik absolviert, aber auch zu diesen Veranstaltungen die Programmhefte samt wissenschaftlicher Einführung geliefert sowie 92 Studenten im Dirigieren ausgebildet. Zusätzlich konnte er auf Auftritte in 77 Ländern als Kammermusiker, Dirigent und Wissenschaftler zurückblicken, in denen er die deutsche Musikkultur vertreten durfte. Schon vorher, im Jahre 2000, schloss Dechant die Ehe mit Prof. Margit Haider. Die kirchliche Trauung fand am 15. April 2000 in der von seinem Vater erbauten Franziskus-Kirche in Wien X statt.

Im Jahre 2008 brachte Dechant anlässlich des 100. Geburtstags die Biographie seines ehemaligen Chefdirigenten Joseph Keilberth. Ein Dirigentenleben im XX. Jahrhundert heraus. Das über 800 Seiten umfassende Kompendium, dessen Grundlage die von Keilberths Sohn Dr. Thomas Keilberth aufgearbeiteten Tagebücher (1927 –1968) des Dirigenten bilden, gilt mit zwölf Registern, in welchen sämtliche dirigierten Werke und Veranstaltungsorte sowie alle Künstler und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die mit Keilberth in Verbindung standen, aufgelistet sind, als erste wissenschaftliche Dirigenten-Biographie. Sie erfuhr in der Presse hervorragende Würdigungen und dient inzwischen auch als Nachschlagewerk.

Trotz der sich zunehmend verbessernden Möglichkeiten elektronischer Information erwies sich die Randlage Wiens im deutschen Sprachraum auf die Dauer als unpraktisch. Zudem waren in den Benelux-Staaten in Sachen Woelfl noch zahlreiche Bibliotheksbestände einzusehen. Das Ehepaar beschloss daher im Jahre 2012 den Umzug in das vertraute Bonn. Hier konnte eine ehemalige Poststation von Thurn & Taxis im Ortsteil Lessenich erworben werden, die in 3½-jähriger Bauzeit zum Kultur- und Wissenschafts-Zentrum „Woelfl-Haus“ ausgebaut wurde. Das Zentrum umfasst u. a. einen Saal mit 70 Plätzen, ein Aufnahmestudio, einen Seminarraum mit 50 Plätzen und weltweit das einzige komplette Woelfl-Archiv. Ein angeschlossener kleiner Park lädt die Besucher in den Konzertpausen zum Lustwandeln ein.

Das Woelfl-Haus wurde am 4. September 2016 feierlich eröffnet und errang sich in kurzer Zeit einen herausragenden Platz im Konzertleben der Stadt Bonn. Heute steht es als Veranstaltungsort an dritter Stelle hinter Oper Bonn und Beethoven-Orchester Bonn und wird vom Kulturamt der Stadt als Großveranstalter geführt. Es dient nicht nur den eigenen Konzertveranstaltungen, sondern auch diversen Kulturvereinigungen der Stadt. In seinen Konzerten nimmt die Förderung des Künstlernachwuchses eine wichtige Position ein. Ferner werden im Abstand von zwei Jahren Internationale Woelfl-Symposien abgehalten, an welchen sich derzeit Wissenschaftler aus elf Ländern beteiligen.

Inzwischen ist das Woelfl-Haus Partner-Institut der mit dem Exzellenz-Status ausgezeichneten Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Das Ehepaar Dechant wurde eingeladen, Vorlesungen an der Universität zu halten – eine Einladung, der es nun bereits im sechsten Jahr nachkommt. Der Verlag  Musikoffizin wurde mit 1. Januar 2013 in Bonn angesiedelt und hat die Rechtsform einer OHG. Er dient auch als Institut für die Lehrveranstaltung „Musikedition“ der Universität.

Als sich im Frühjahr 2020 abzeichnete, dass das Corona-Virus zur Pandemie anwachsen würde, beschloss das Ehepaar Haider/Dechant frühzeitig, das Woelfl-Haus mit einer Streaming-Anlage auszustatten. Dabei ging es nicht nur um die eigenen Veranstaltungen. Zahlreichen selbständigen Künstlern sollte die Möglichkeit geboten werden, ihren Kontakt zum Publikum auf elektronischem Wege aufrecht erhalten zu können. Diese Einrichtung wird inzwischen in erfreulichem Maße wahrgenommen. Das neue Medium steht für ein lebenslang verfolgtes Bestreben, dem Musikleben der Bundesrepublik und der Förderung seines Nachwuchses dienlich zu sein.

Bildnachweise (von oben nach unten)

Ernst Schrom (1902–1969): Oskar Dechant

David Dechant: Selbstbildnis

Oskar Dechant: Koksabstich im Gaswerk Wien XI

Wiener Staatsoper

Opernhaus Graz

Dominikanerbau Bamberg, spätgotische Hallenkirche mit legendärer Akustik. Langjähriger Konzertsaal der

Bamberger Symphoniker. Heute Aula der Universität.Hugo Steiner-Prag (1880–1945): E. T. A. Hoffmann

Kammerkonzerte zeitgenössischer Musik: Hermann Dechant, Flöte, Ernst Krenek, Klavier

Heinrich Böll (1917–1985)

Codex Bamberg

Bundesjugendorchester

GMD Volker Wangenheim

Orchester der Hochschule für Musik Würzburg

Hermann Dechant: Dirigieren. Zur Theorie und Praxis der Musikinterpretation. Ausgabe in russischer Sprache.

Oratorienchor Bamberg

Margit Haider © Sarah Winkelhöfer

Gemälde nach historischen Vorlagen. Wien 2016

Joseph Keilberth

Woelfl-Haus Bonn

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Phil. Fakultät.